„Der Sommer, in dem einfach alles passiert ist“ von Iben Akerlie und Laura Rosendorfer / Kinderbuch ab 10
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Eine zarte und zugleich starke Geschichte über große Gefühle in der Pubertät & das Finden einer Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit.
Es ist, als würde mein Herz flattern, aus meiner Brust heraus tanzen, zu diesem einen Menschen hinhüpfen, um ihm ganz nah zu sein. Mir wird warm. Nein heiß. Werde ich etwa rot? Ich hoffe nicht. Wie hast du dich gefühlt, als du das allererste Mal verliebt warst?
Nora, ein Mädchen aus Norwegen, erlebt diesen Sommer zum allerersten Mal das Gefühl verliebt zu sein und noch so vieles mehr.
Nora, ein Mädchen mit feuerrotem Haar. Ein Mädchen, umhüllt von Kitzelgräsern und Birkenduft. Bei diesem bezaubernden Buchcover konnte ich nicht anders, als direkt loszulesen.
Zum Inhalt:
Nora droht in Gefühlen feuerroter Wut und Ohnmacht zu ertrinken, als Mama ihr keine Wahl lässt, wo sie ihre Sommerferien verbringen soll: Bei ihrer Oma. Einer Frau, die weder an Geburtstagen zu Besuch kam, noch an Weihnachten geschrieben hat. Eine Frau, die selbst ihre Mama so überhaupt nicht leiden kann. Wieso dürfen Erwachsene einfach entscheiden, wo Kinder ihre Ferien verbringen? Halt, Stopp! Dabei ist Nora doch gar kein Kind mehr. Eher ein Zwischenmensch. Will Mama Nora bestrafen? Natürlich nicht. Mama meint es gut. Doch das spürt Nora keineswegs.
Nora muss bei Oma bleiben, wohl oder übel und ewig kann sie nicht im Zimmer ausharren. Der einzige Ort, der Nora das Gefühl von Freiheit schenkt, ist eine Wiese nach einem Waldstück hinter Omas Haus. Dort kann Nora alles rausschreien, was ihr tausend-Steine-schwer auf ihr Herz drückt. Und dann steht er plötzlich da: dieser Junge. Abbas. Ein Junge, der ein vollkommen unbekanntes Gefühl in Nora auslöst und ihr Herz stoppen und kurz darauf rasen lässt.
Noras Oma Wendy lässt ihr Raum. Aber sie hat ein Auge auf ihre Enkelin und sorgt für sie.
Neben der luftigen Leichtigkeit wird schnell klar, dass Noras Oma als Kriegsberichtserstatterin nicht nur wenig Zeit für ihre Tochter hatte, sondern dass sie die Erlebnisse auch stark geprägt haben. Noras emotionale Verbindung zu Abbas wird intensiver, während er vor Noras Augen unschuldig ein Opfer von Fremdenfeindlichkeit wird. Auch der Tod von Abbas Mutter ist in einen mysteriösen Schleier gehüllt.
Bei all diesen Gefühlen der Schwere und Traurigkeit suchen sich Nora und Abbas einen Ort der Abgeschiedenheit. Eine Art Schutzblase, die sie von all der Feindlichkeit und dem Leid abschirmt.
Weil sie Frieden brauchen, weil für sie gerade so viel anderes dran ist. Kein Leid, sondern Freude, das Genießen ihrer Freundschaft, die sich für Nora nach so viel mehr anfühlt und wie Bizzelbrause in ihren Zehenspitzen kitzelt.
Und ich bin gespannt und gefesselt, kann das Buch kaum aus den Händen legen. Während Nora sich in Abbas verliebt, verliebe ich mich in ihre Geschichte. Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Fasziniert von dem feinfühligen Schreibstil, habe ich Nora, Abbas, Noras Mama und Oma Wendy rasend schnell in mein Herz geschlossen.
Weshalb mich dieses Buch so begeistert?
Ich finde insbesondere Noras Entwicklung in diesem einen Sommer unfassbar stark.
Zu lernen selbstlos für andere einzustehen, ist keinesfalls leicht. Dieses Buch macht bewusst, wie wichtig es ist, nicht wegzuschauen, sondern mutig die eigene Stimme zu erheben und zusammenzuhalten. Das empfinde ich als sehr wertvoll.
Mich hat es fasziniert, wie zart und einfühlsam die sich überschlagenden Gefühle in der Pubertät sowie die erste Verliebtheit dargestellt werden.
Ich finde auch, dass das Thema Krieg sehr behutsam, wenn natürlich auch tieftraurig, aufarbeitet wird.
Einen wichtigen Stellenwert in der Geschichte hat für mich auch das Thema Wahrheit und Aufrichtigkeit. Für mich passt das auch sehr gut zum „Stimme zeigen“: gegen Diskriminierung und für alles, was aus dem Verborgenen ans Licht gelangen sollte. Es ist wertvoll sich bewusst zu machen, wie sehr Kinder die Wahrheit verdienen.
Ein wertvolles facettenreiches Buch für Kinder ab 10 Jahren, dass ich von ganzem Herzen weiterempfehlen kann und werde.